Sächsische Zeitung, Erhard Frommhold, 28./29. Juni 2003

Das Leben in der Stadt Aue als künstlerisches Ereignis

Er war eigenwillig und außergewöhnlich: Zum 100. Geburtstag des erzgebirgischen Malers Kurt Teubner

Es war ein abenteuerliches Leben, welches am 28. Juni 1903 im westlichen Erzgebirge in der Industriestadt Aue begann und sich auch dort am 11. Januar 1990 vollendete: das eigenwillige Dasein des Malers Kurt Teubner. Von Zeit zu Zeit kamen von ihm Botschaften nach Dresden, die besonders seit der VII. großen Kunstausstellung außergewöhnliches Aufsehen hervorriefen. Da waren Bilder aus verschiedenen Materialien geformt und mit Gegenständen des Alltags vereint, auch Malerei war dabei im Spiele. Merkwürdige Kompositionen mit für Kurt Teubners Leben sinnvollen Titeln, denn sie erzählten gewissermaßen seine Biografie: “Die gute Stube” (1974), “Armer Leute gedeckter Tisch” (1974), “Der alte Schrank” (1978), “Kellerstilleben” (1981) usw. Solche Themen waren geradezu Fetische seiner früheren und gegenwärtigen Existenz in Aue: das Vaterhaus oder die Familie. Gewiss, die Kunstwissenschaft hat für Kurt Teubners originale Gebilde schon fünf Jahrzehnte vor ihnen die fremdartigen Begriffe “Collage” und “Assemblage” geprägt. Kurt Teubner blieben das Fremdwörter, er vereinte ja nur greifbare Belege aus seinem Leben zur jeweils erregenden Komposition. Von ihm wurden so persönliche “Fundstücke” zu Sinnbildern geformt. Man hat sie rechtens als Dialog bezeichnet, hinter dem “immer ein moralischer Beweggrund Pate” steht (Rudolf Pakulla).

Kurt Teubner hatte als Autodidakt begonnen. Vier Semester Unterricht an der Zeichenschule für Textilindustrie in Schneeberg, die Arbeit als Glasmaler in Chemnitz und Leipzig gingen nicht ohne Spuren zu hinterlassen an ihm vorüber. Arbeitslosigkeit zwischen 1921 und 1925 fordern ihn als Maler, aber auch als politisch denkenden Menschen heraus. Sein wacher Geist führt ihn 1923 zur Kommunistischen Partei. So wird auch seine Malerei von der Gesinnung abhängig: kleine Gemälde mit plebejischen Themen oder Motiven, Anklagen gegen die Not und politische Agitation. Zwei Jahre arbeitete er in Düsseldorf als Druckerei- und Hilfsarbeiter. Hier begegnet Kurt Teubner zum ersten Mal bedeutenden Werken der modernen Kunst. Die Künstlergruppe “Das junge Rheinland” war dort bereits skandalumwittert. In der “berüchtigten” Kunsthandlung der “Mutter Ey”, einer Frau mit unerhörter Courage, war es wegen Bildern von Gert H. Wollheim und Otto Dix sogar zu öffentlichen Prozessen gekommen. Johanna Ey hielt an ihrem kämpferischen Konzept fest, und so erlebte der junge Mann aus Aue eine ganz andere Welt der Malerei und Grafik, neben Wollheim und Dix nun auch Otto Pankok, Max Ernst, Werner Gilles und andere.

Teubners Malerei von damals offenbart eine gewisse Nähe zu diesen Rebellen, die sich durch das ganze Werk erhalten wird bis hin zu den späten Materialbildern. Dennoch, Aue blieb sein Refugium. Kurt Teubners Kunst blüht jetzt ganz und gar in dieser Region auf: Landschaft, Porträt und Genre nach 1933 Klage und gefährliche Anklage in mannigfaltigen Techniken. Er lebt als politischer Künstler einsam und verbannt, schlägt sich mühsam durch, zumeist als Gelegenheitsarbeiter. 1942 bekommt er offiziell Malverbot, 1944 wird er zur Zwangsarbeit verurteilt. Bald muss er mit seiner Frau, einer Jüdin, untertauchen. Jene schrecklichen Abenteuer nehmen erst am 8. Mai 1945 ein Ende.

Teubners erste Tat nach dem Krieg ist 1945 eine Ausstellung in Aue: “Befreite Kunst”. Er selbst hat sich als Künstler diese Freiheit erkämpft. Nun steht er inmitten des alten und des neuen Lebens. Ein Gemälde “Die Ungemalten” (1947) bleibt vorläufig sein Signum: “Es ist eine Komposition mit vielen leeren Spannrahmen, die durch Kreisbögen umfasst sind”, beschreibt es sein Biograf Gerhard Hahn. Kurt Teubners künstlerisches Werk bleibt nicht allein regional gültig.