Kurt Teubner, der Künstler
Anlässlich seines 100. Geburtstages am 28. Juni 2003
von Traude Brendler
Kurt Teubners Geburtstag jährt sich am 28. Juni 2003 zum hundertsten Male. Der in Aue geborene Maler ist mittlerweile weit über seine erzgebirgische Heimat hinaus bekannt.
Sein „Markenzeichen“: Die ungeheure Spannweite der Themen und Ausdrucksformen. Der Bogen reicht vom expressiven Musterentwurf der frühen Jugend über romantisch zarte, oft auch leise Melancholie atmende Landschaftsbilder bis zum lustvoll- dynamischen Spiel mit Form und Farbe, um schliesslich in die ganz eigene Welt der Collagen und Materialbilder seiner späten Lebensjahre zu münden.
Ein Gästebuch-Eintrag aus einer Ausstellung der siebziger Jahre äussert die Verwunderung, dass alle ausgestellten Bilder „von ein und demselben Menschen“ geschaffen wurden.
Wer war Kurt Teubner?
Kurt Teubner, der Autodidakt, war Maler aus Berufung und innerem Drang. Die schöpferische Unrast, Erlebtes, Gesehenes, Gedachtes oder Erträumtes in seiner Formensprache auszudrücken, hat ihn ein Leben lang begleitet. Wenn es Phasen gab, in denen er nicht zum Malen kam, hat er in seinem visuellen Gedächtnis gespeichert, was er später dann ins Bild setzte. So kam es auch, dass er noch in den sechziger Jahren soziale Themen aus seiner Erlebniswelt der zwanziger Jahre verarbeitete.
„Malen ist Freude und Lust, Qual und Schmerz“ steht auf einem Notizzettel aus seiner Werkstatt geschrieben. Noch in seinen letzten Lebenstagen liessen ihn die Einfälle nicht los, hat er, nahezu bis zuletzt, mit Schere und Klebepapier originelle Kompositionen geschaffen.
Kurt Teubner ging seinen künstlerischen Weg eigenständig, zurückgezogen, ohne eigenes Zutun für öffentliche Anerkennung.
Erst in den siebziger Jahren fanden seine Werke den Weg in grössere Ausstellungen, ab Ende der siebziger Jahre war er schliesslich auf der VIII., IX. und X. Kunstausstellung der DDR sowie auf den jeweiligen Bezirkskunstausstellungen vertreten. Die Würdigung seines Schaffens erfreute ihn, aber er schmeckte auch den bitteren Wermutstropfen. Denn er wusste trotz seines überzeugten Bekenntnisses zur DDR, dass er in einem Punkt der öffentlichen Kritik nie würde standhalten können, nämlich in Bezug auf den zur Kunstdoktrin erhobenen sogenannten „sozialistischen Realismus“. Hatte es bei ihm schon in den fünfziger Jahren eine gewisse Malzurückhaltung gegeben – es war die Zeit des leidigen „Bitterfelder Weges“ und verhaltener Kritik an seinem „Rückzug“ in die Landschaft, so kulminierte die kontroverse Diskussion mit der Ausstellung der Assemblage „Kellerstilleben“ auf der IX. Kunstausstellung der DDR 1982. Böswillige Stimmen warfen Kurt Teubner vor, dem „Formalismus der dekadenten“ westlichen Kunstszene zu frönen, die er in seiner Abgeschiedenheit nicht einmal kannte.
Dr. Werner Ballarin, der langjährige Direktor der Städtischen Kunstsammlungen Karl-Marx-Stadt und spätere Direktor der Neuen Sächsischen Galerie Chemnitz, schrieb 1982: „Zur Zeit liegen sich angesichts seines Kellerstillebens auf der IX. Kunstausstellung der DDR Verstehen und Missverstehen, Begeisterung und Skepsis in den Haaren und machen dieses Werk zu einem der dominanten Diskussionsgegenstände“.
Kurt Teubner, der hochsensible, immer ein wenig zu Schwermut neigende Mensch, verarbeitete solche Erlebnisse auf sarkastisch-ironische Weise in Themen wie „Aus dem Rahmen gefallen“ (sein Selbstporträt löst sich aus einem schiefwinklig verschobenen Rahmen), „Stein des Anstosses“ oder „Die angelehnten Abgelehnten“.
Der Werdegang
Der biografische Werdegang von Kurt Teubner belegt seine Eigenständigkeit. Seine frühe Entwicklung vollzog sich auf autodidaktischem Wege, ohne jeden Kontakt zu den Zentren der Kunstentwicklung.
1903 in proletarischem Elternhaus, als Sohn des bekannten erzgebirgischen Holzschnitzers und Bildhauers Emil Teubner geboren, besuchte Kurt Teubner die Volksschule in Aue, danach für zwei Jahre, von 1917 bis 1919, die „Königliche Zeichenschule für Textilindustrie und Textilgewerbe“ in Schneeberg, die er aus materiellen Gründen noch ohne Abschluss verliess. Hier fertigte Kurt Teubner Musterentwürfe für Textilien, in denen sich bereits sein Talent zu expressivem Ausdruck sowie zur Dekorativität verrät. Er stösst auf verständnisvolle Förderung. Immer wieder erzählt er später von einem Lehrer, der zu ihm sagte: „Es gefällt mir nicht alles, was Sie machen, aber was drin ist, muss raus“.
Die folgenden Jahre verbringt er als Glasmaler in Chemnitz und Leipzig, als Gelegenheitsarbeiter und schliesslich auch als Erwerbsloser.
Im Sinne der geistigen Prägung durch das Elternhaus findet Kurt Teubner 1923 zur KPD. 1925 hat er Arbeit als Dekorateur, später als Klischeezeichner und Werbegrafiker in Düsseldorf. Hier hat er losen Kontakt zum Kunstsalon der „Mutter Ey“. Hier hat er auch erste Erfolge, einige Grafiken werden gedruckt, er beteiligt sich erfolgreich an künstlerischen Wettbewerben.
Sein künstlerischer Weg ist in dieser Zeit beeinflusst von Erzeugnissen der politischen Grafik und Zufallsbegegnungen mit der zeitgenössischen Kunst, zum Beispiel Otto Dix. Stark beeindruckt haben ihn ein Leben lang die Holzschnitte von Frans Masereel.
1928 heiratet Kurt Teubner seine Gefährtin Susanne Zivi und lebt fortan im bescheidenen Haus in Aue. Es ist die Zeit der Weltwirtschaftskrise und der grossen Arbeitslosigkeit, von der auch er betroffen ist.
Die faschistische Machtübernahme 1933 bedeutet für die Familie eine tragische Zäsur. Die Ehefrau stammt aus jüdischem Elternhaus, und fortan bestimmen Einschränkungen und Repressalien das Leben der Familie. 1942 spricht die „Reichskammer der Bildenden Künste“ ein Malverbot für Kurt Teubner aus. Er malt dennoch, nur mit Wissen vertrauter Freunde und Gönner. Zu letzteren zählte ein demokratisch gesinnter Auer Unternehmer, bei dem Kurt Teubner Arbeit als Ladengehilfe fand.
1944 wird Kurt Teubner zum Atlantikwallbau nach Nordfrankreich kriegsverpflichtet. In den Wirren der Invasion kann er fliehen. Die Monate vor Kriegsende des Jahres 1945 verbringt er zusammen mit seiner inzwischen von Deportation bedrohten Frau im Versteck.
Nach Kriegsende beteiligt sich Kurt Teubner engagiert am Aufbau einer Nachkriegsordnung in Aue.
Er ist Initiator der ersten und zunächst einzigen Kunstausstellung im Land Sachsen, die im Oktober/November 1945 unter dem Titel „Befreite Kunst“ in Aue stattfindet und 3000 Besucher zählt. Bis 1947 leitet er das Nachrichtenamt. Er ist massgeblich beteiligt an der Gründung des „Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ in Aue, und er widmet sich der Ausbildung von Neulehrern. 1950 wird Kurt Teubner Arbeitsgebietsleiter des neugegründeten „Verbandes Bildender Künstler Deutschlands“. Zum Malen ist wenig Zeit.
Erst ab 1958 widmete sich Kurt Teubner ausschliesslich der künstlerischen Tätigkeit als freischaffender Maler. Es begannen die intensivsten und produktivsten Jahre seines künstlerischen Schaffens. Nachholestau wird abgearbeitet. Es gibt eine grosse Breite an Themen wie an Formen. Das Auer Haus füllt sich mit Bildern, bald quillt es förmlich über davon.
Kurt Teubner ist um die Siebzig, als er sich der Collage und später der Assemblage und dem Materialbild zuwendet. Er schafft damit ein Alterswerk, das kraftvolle Originalität, Weisheit und auch Witz ausstrahlt. Wer die Werke betrachtet, glaubt nicht, dass ihr Schöpfer siebzig oder achtzig Jahre zählte, als er sie schuf. Ein befreundeter Kunsthistoriker schrieb ihm zum 80. Geburtstag: „Erst jetzt tobst Du Dich so richtig aus“. Und doch ist es Altersweisheit, Rückerinnerung, Liebe zum Detail und der aufmerksame Blick für die Spuren menschlichen Tuns, auch Wehmut über die Vergänglichkeit aller Dinge, was ihn veranlasst, Gegenstände mit den Zeichen des Gebrauchs zu sammeln und in anrührendem Sinnzusammenhang zu montieren. Auch den Reiz materialästhetischer Aspekte spielt er aus.
„Teubners poetisch-karge Assemblagen haben dieser breiten Kategorie der modernen Kunst eine sehr eindrucksvolle Variante hinzugefügt“ schrieb Lucie Schauer 1985 anlässlich einer Ausstellung von fünf DDR-Künstlern im Neuen Berliner Kunstverein Berlin (West). Kurt Teubner war kein „l’art pour l’art“- Künstler. Ihn trieb der Zwang zum künstlerischen Ausdruck, aber auch ein ästhetisch-moralisches Anliegen. Mit Bildern, die den Krieg anklagen, wollte er aufrütteln. Mit Bildern, die soziale Ungerechtigkeit anprangern, wollte er anrühren. Armut und Not der kleinen Leute, die er in seiner Kindheit und Jugend erfuhr, hat er in eindrucksvollen Kompositionen wie „Acht Löffel und eine Schüssel Milchsuppe“ oder „Armer Leute gedeckter Tisch“ ergreifend geschildert. In drastisch expressiven Bildern konnte er auch die existentielle Not des Individuums thematisieren.
„Wiederkehr des Gleichen“
Es ist ein heikles Unterfangen, Kurt Teubners Schaffen chronologisch in „Perioden“ einzuteilen. Kontinuität und Diskontinuität halten sich die Waage. Dennoch sind Schwerpunkte zu erkennen und eine deutliche Entwicklung der Formensprache, wobei die expressiven Ausdrucksmittel der zwanziger Jahre auf neue Weise wiederkehren in den kräftig colorierten, abstrakt-stilisierten Bildern der sechziger und siebziger Jahre.
Charakteristisch für die vierziger Jahre ist die verstärkte Hinwendung zur Landschaftsmalerei.
Es entstehen die typischen Teubner-Landschaften, wo der hohe Himmel das beherrschende Moment ist, die Stimmung zart verträumt oder auch bedrückend schwermütig. Bewegte Wolken und durchbrechende Sonnenstrahlen, drohende Gewitterstimmung, verklärender Nebeldunst oder zartes Dämmerlicht sind wiederkehrende Attribute. Meist ist die Bildtiefe schier unendlich, eine sehnsuchtsvolle Weite breitet sich vor dem Betrachter aus und lenkt den Blick zum fernen Horizont. Die grosse Verehrung, die Kurt Teubner für den Maler der Romantik Caspar David Friedrich hegte, wird hier erlebbar. Aber auch die tiefe Melancholie des Malers Kurt Teubner, der zur Natur ein nahezu religiöses Verhältnis hat.
Das intensive Naturerleben bleibt auch später und bis zum Schluss ein bestimmendes Moment. Motive aus dem Erzgebirge, aber auch die Boddenlandschaft, das Meer, die Steilküste von Rügen oder Hiddensee, wie später auch die Industrielandschaft werden zum Gegenstand seiner Bilder.
Ab den sechziger Jahren wird die Malweise kontrastreicher, erhält die Gegenständlichkeit zum Teil grösseres Gewicht. Kurt Teubner macht wieder Experimente mit abstrakten Formen, Stilleben entstehen im Wechsel mit Landschaftsdarstellungen.
Und schliesslich krönt Kurt Teubner sein Schaffen mit dem bereits erwähnten Spätwerk. „Nahezu mit logischer Konsequenz“ schreibt Karsten Kruppa, „gelangte Kurt Teubner von der sachlichen Malerei zur Collage, von der Assemblage zum Materialbild“.
Kurt Teubner, der häufig sagte, das Schlimme sei nicht, dass man alt wird, das Schlimme sei, dass man jung bleibe, wurde 87 Jahre alt. Er starb am 11. Januar 1990 in Aue.
Kurt Teubner hat seine Heimatstadt nie für längere Zeit verlassen. Das zurückgezogene Leben entsprach seinem Charakter. Dennoch freute er sich immer über Besucher, die Interesse für seine Bilder zeigten. Im kleinen Kreis konnte er aufleben, erklären, erregt debattieren.
Werner Ballarin schrieb über einen seiner Besuche: „Wer es von uns nicht schon aus seinen Arbeiten erspürte, spätestens jetzt, beim Eintritt in sein Haus, wissen wir es – die Augen, der Händedruck und das mit Selbstverständlichkeit aufkommende Gefühl, ihn und seine Frau schon immer, ganz alltäglich und nahe zu kennen – Kurt Teubner liegt nichts ferner, als durch spektakuläre Sensationen auf sich aufmerksam machen zu wollen.“
Kurt Teubners Wirken vollzog sich in der Stille. „Und das Ergebnis waren Kunstobjekte aus seiner kleinen Welt, die ihresgleichen in der grossen Welt nicht finden“. (Werner Ballarin 1996)
Zitate aus:
Katalog „Die großen Alten“, Teil I, Neue Sächsische Galerie Chemnitz, 1996
Katalog Kalenderblätter: „Sächsische Ansichten“, W. Ballarin, W.G. Paul, Neue Sächsische Galerie Chemnitz 1998
Katalog „Fünf Künstler aus der DDR“, Neuer Berliner Kunstverein, 1985
Katalog „Kurt Teubner – Collagen und Assemblagen“, Städtische Museen Karl-Marx-Stadt, Kunstsammlung Galerie am Brühl, 1983